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Fachbeitrag
09.01.2008  |  4225x
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Feuchtemessung in industriellen Prozessen, Online-Feuchtemessfühler

Die Besonderheit der Messgröße Materialfeuchte besteht darin, dass zur Absicherung der erzielten Messergebnisse ganzheitliche Betrachtungen zum Messfühler, Messgut, Referenzverfahren und zu den Anlagenparametern angestellt werden müssen.
Über den Einsatz von Messgeräten zur Bestimmung der Materialfeuchte mit unterschiedlichen Messprinzipien gibt es eine Vielzahl von Anwenderberichten. Es ist jedoch nach wie vor ein Problem, die im laufenden Produktionsprozess erzielten Messdaten unmittelbar auf gesetzliche Standards zurückzuführen. Die Ursache liegt darin, dass die Online-Messfühler zum Teil nicht ausreichend kalibriert werden beziehungsweise nicht kalibrierbar sind und dass die Referenzmessverfahren zu wenig dem Messgut angepasst sind. Im Folgenden werden Möglichkeiten dargestellt, wie diese offene Kette in der Qualitätssicherung geschlossen werden kann.

Beschreibung des Referenzverfahrens

Um bei der Online-Feuchtemessung zuverlässige Ergebnisse zu erzielen, ist eine Kalibration der Messfühler notwendig. Die in der Praxis üblichen Referenzverfahren (siehe Teil 1 dieses Fachbeitrags in SILO WORLD 1/2008, Seite 6–13) Thermogravimetrie, Karl-Fischer-Titration, Calzium-Karbid-Methode und Gleichgewichtsfeuchtemethode liefern absolute Messwerte zum Wassergehalt in festen und flüssigen Materialien.

Diese Messdaten sind jedoch nicht unmittelbar miteinander vergleichbar, da sie verschiedene Wasserbindungen im Material darstellen (Tabelle 1). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass auf das Messergebnis weitere Komponenten einwirken: die materialspezifischen Eigenschaften des Messgutes, das Messprinzip des Online-Messfühlers und die Art und Weise der Durchführung der Referenzmessung.

Ein Beispiel, wie vor allem in biologischen Materialien die Prozessparameter auf die Art der Bindung und der Anlagerung von Wasser reagieren, stellt Abbildung 2 dar. So wie sich die Wasseranlagerung ändern kann, sind auch unterschiedliche Messergebnisse zu erwarten.

Eine weitere Voraussetzung für eine zuverlässige Kalibration liegt im Messfühler selbst. Der Messfühler muss in den technischen Daten bezüglich der Langzeitstabilität und der Reproduzierbarkeit der Messwerte bei baugleichen Messfühlern festgelegte Fehlertoleranzen einhalten. Diese müssen messtechnisch nachgewiesen werden können, was bei komplexen Messsystemen aufwendig sein kann.

Eine wesentliche Einflussgröße auf die Genauigkeit, mit der eine Referenzmessung durchgeführt werden kann, ist die Probennahme und Probenaufbereitung. Die Gewinnung und die Konditionierung einer Probe sind stets materialspezifisch. Erfahrungsgemäß entscheidet sich bereits in diesem Arbeitsschritt, welche Qualität das Endergebnis der Messung hat. Auf diese Problematik soll jedoch in diesem Zusammenhang nicht näher eingegangen werden.

Die Schwierigkeit bei der Materialfeuchtemessung besteht oft darin, dass sich der gemessene Anteil Wasser nicht eindeutig im Sinne der Rückführbarkeit auf eine SIEinheit beziehen lässt. Das heißt, mit den Referenzverfahren wird beispielsweise die Masse Wasser in einer Probe bestimmt. Diese kann jedoch von der Temperatur und der Zeit abhängen, in der die Messung mit einem thermogravimetrischen Verfahren erfolgte. Im Material können weiter Wasserbestandteile enthalten sein, die nur über eine weitere Energiezufuhr freigesetzt werden können. Eine erhöhte Energiezufuhr kann aber beispielsweise zur Schädigung oder Veränderung des Produktes führen und wäre somit nicht möglich.

An dem Beispiel zeigen sich die Grenzen, in denen eine „vollständige“ Bestimmung des Wassergehaltes erfolgt. Für eine standardgerechte Messung ergibt sich daraus die Konsequenz, dass die Referenzmessung im Ablauf und in den Messparametern genau beschrieben werden muss. In den labortechnischen Vorschriften gibt es zahlreiche Anweisungen für die Durchführung der Feuchtemessung an unterschiedlichsten Materialien. Sind diese Anweisungen nicht verfügbar, müssen sie erarbeitet werden.

Eine weitere Möglichkeit der standardgerechten Messung ist die Verwendung von Vergleichsnormalen. Dabei wird davon ausgegangen, dass ein oder mehrere Messnormale – mit bekanntem Wassergehaltswert, bestehend aus dem gleichen Material wie das Probematerial, gelagert unter defi nierten Bedingungen (zum Beispiel im Exsikkator bei konstanter Temperatur und Feuchte) – existieren. Die Messung wird am Messnormal und am Probenmaterial durchgeführt. Im Anschluss werden die Ergebnisse verglichen und bewertet.

In jedem Fall müssen der Messablauf und die Messbedingungen eingehalten werden, wenn eine geringe Messunsicherheit erzielt werden soll. Mit Hilfe einer Fehlerabschätzung ist schon im Vorfeld Klarheit darüber zu erzielen, welche Messunsicherheiten praktisch erzielbar sind.

Ermitteln der materialspezifischen Kennlinie

Vor der Auswahl eines Referenzverfahrens muss zunächst ermittelt werden, welcher Anteil der Wasseranlagerung die Qualität des zu messenden Produktes beeinfl usst. Es liegen meist mehrere Bindungsformen gleichzeitig im Produkt vor:
  • Eine Menge Kristallwasser ist notwendig, um bestimmte Grundeigenschaften des Produktes auszubilden.
  • Ein Anteil Adhäsionswasser kann erforderlich sein, um die Verarbeitung zu ermöglichen.
  • Der Anteil freies Wasser im Produkt bestimmt die Rieselfähigkeit und Haltbarkeit.
Vom eingesetzten Referenz- und Online-Messverfahren wird gefordert, auch genau diesen Wasseranteil messtechnisch nachzuweisen, der im Produktionsverlauf gesteuert werden soll. In der Regel werden für die Auswahl und Durchführung von Referenzmessungen Fachlabore zu Rate gezogen, da sie über Messverfahren und Messtechnik verfügen, um die unterschiedlichen Wasseranlagerungen im Produkt zu bestimmen. Weiterhin sind Erfahrungen in der Probenvorbereitung und Kenntnisse über die Wechselwirkung der Wasserbindungen mit den eingesetzten Messverfahren vorhanden.

Vor dem Beginn der Labormessungen wird definiert, welche verfahrenstechnischen Anforderungen an die Messung bestehen, und es werden Voruntersuchungen mit unterschiedlichen Messfühlern und Referenzverfahren durchgeführt. Ebenso kommt es zu Abschätzungen darüber,
  • welcher Messbereich mit dem Messverfahren abgedeckt werden kann.
  • welche Messgenauigkeiten erzielbar sind.
  • welche Querempfi ndlichkeiten das Messergebnis beeinfl ussen.
Der grundsätzliche Ablauf der Labormessung ist trotz aller Unterschiedlichkeit der Materialien und der Messverfahren ähnlich:

1. Vorbereitende Arbeiten

Die Proben werden registriert. Es erfolgt eine sachgerechte Zwischenlagerung, die durch den Prozess geforderten Messparameter (typ., min., max. Werte; zulässige Messtoleranzen; Temperaturangaben, Schüttdichte etc.) werden festgelegt.

2. Erarbeitung der Messprozedur

Es wird recherchiert, inwieweit für das Produkt Messvorschriften existieren. Der Messablauf wird festgelegt und niedergeschrieben. Darin enthalten sind unter anderem die Auswahl des Referenzmessverfahrens, Art der Probenkonditionierung, Messzeiten, Verweilzeiten, Anzahl der Messungen etc.

3. Durchführung der Labormessung mit dem Referenz- und Testverfahren
Aus der Gesamtprobe werden Teilproben gebildet, die der Anzahl der zu bestimmenden Messpunkte entsprechen. Die Teilproben werden in Bezug auf den Wassergehalt konditioniert (zum Beispiel: Trocknen, Aufnahme von Flüssigwasser oder Wasserdampf, Lagerung im Exsikkator). Nach einer Verweilzeit werden die Teilproben erneut geteilt und Messungen mit dem Referenzmessverfahren und dem Testmessverfahren unterzogen.

4. Auswertung der Messung

Die Messwerte werden entsprechend der statistischen Methoden ausgewertet. Es wird die materialspezifi sche Kennlinie als mathematische Gleichung oder als grafi scher Ausdruck erstellt. Ein Bericht zur Durchführung der Messung wird verfasst.

5. Entsorgung der Materialproben

Nach Abschluss der Messung erfolgt die fachgerechte Entsorgung der Materialproben. Ergänzend zur Kennlinienbestimmung können weitere Messungen durchgeführt werden. Bei stark hygroskopischen Produkten (zum Beispiel Produkte in Sprühtrocknern) hinterlässt schon ein kurzzeitiger Kontakt mit hoher Umgebungsfeuchte bleibende Veränderungen. Das Produkt (Abb. 3, rechte Ordinate, Seite 40) wurde einer Umgebungsluft mit einer relativen Luftfeuchte von 90 % r.F. ausgesetzt. Nachdem diese Belastung aus der Umgebungsluft nicht mehr vorhanden ist, bleibt der Wassergehalt des Produktes nachhaltig hoch (Abb. 3, linke Ordinate, Seite 40). Das Produkt hat sich nachhaltig verändert. Nach den Arbeiten im Labor sind für die Übernahme der materialspezifischen Kennlinie in den Produktionsprozess und die Anlage im Wesentlichen Engineering-Arbeiten erforderlich:
  • Einbau der Messsonde in die Anlage.
  • Konstruktion, Einbau von Hilfsvorrichtungen zur Erzielung konstanter Messbedingungen (Abstreifer für Schütthöhe, Bandwaage etc.).
  • Auf der Grundlage der im Labor bestimmten Messwerte werden Vergleichsmessungen in der Anlage durchgeführt.
  • Optimierung der Anpassung von Material, Anlage und Messverfahren.
  • Einbeziehung der Messtechnik in die Steuerung.
  • Einbindung des Gesamtablaufes in das Qualitätssicherungssystem. Ziel ist es, die gewonnenen Erkenntnisse auf die Fertigungsanlage mit dem im Prozess vorliegenden Material und unter den Bedingungen der Produktion (Schwankungen von Temperatur, Schütthöhe etc.) zu übertragen.

Anforderungen an ein Materialfeuchte-Messlabor
Die Aufgaben eines Speziallabors für Materialfeuchte beziehen sich im Wesentlichen auf die Einhaltung qualitätsbestimmender Parameter:
  • Produktionsbegleitende Qualitätskontrolle durch Stichprobenmessungen.
  • Überprüfung und Kalibration von Online-Messgeräten.
  • Untersuchungen an Produkten zur Erstellung materialspezifischer Kennlinien.
  • Bestimmen von Solldaten für die Einstellung und Vorgabe der Produktionsparameter.
  • Arbeiten zur Einbindung der Feuchtemesstechnik in bestehende Qualitätssicherungssysteme.

Voraussetzungen dafür sind neben einem hohen gerätetechnischen Standard und die Anwendung gesetzlicher Standards die Verfügbarkeit unterschiedlicher Referenzmessverfahren und Know-how im Umgang mit unterschiedlichen Produkten.

Die Grundprinzipien bei der direkten Materialfeuchtebestimmung basieren darauf, dass über chemische Reaktionen das Wasser gebunden wird (zum Beispiel KarlFischer-Titration) oder auf physikalischem Wege (zum Beispiel Verdampfen bei der Thermogravimetrie) die Masse bestimmt wird. Während die Feuchte in Gasen direkt im Gasgemisch bestimmt werden kann, erfolgt bei den direkten Materialfeuchtemessmethoden eine Trennung von Wasser/Feuchte und dem restlichen Stoff. Dieser Vorgang kann sich praktisch als sehr aufwendig erweisen. Zu den klassischen Methoden für die gravimetrische und chemische Wassergehaltsbestimmung gibt es eine Reihe von kombinierten Verfahren, von denen zwei im Folgenden genannt werden sollen.

Bei der Bestimmung von geringen Wasseranteilen (zum Beispiel << 1%gew. in Kunststoffen) wird durch Erwärmung der Probe beziehungsweise durch Unterdruck das Wasser aus der Probe in Form des gasförmigen Aggregatzustandes herausgelöst und in ein trockenes Trägergas überführt. Von diesem Trägergas wird anschließend mit Gasfeuchtesensoren der Wassergehalt bestimmt. Wenn sämtliches Wasser aus der Probe entfernt ist und der Wasserdampfgehalt über die gesamte Zeit integriert wurde, lässt sich der absolute Wassergehalt der Probe %gew. angeben.

Über die Parameter Heiztemperatur und Unterdruck lässt sich weiterhin eine Aussage zur Bindungsfestigkeit beziehungsweise zur Lage des Wassers (beispielsweise an der Oberfläche, im Inneren) treffen. Rückführbar ist diese Referenzmessung über Transfernormale, das heißt mittels Proben mit definiertem Wassergehalt werden Vergleichsmessungen durchgeführt.

Bei temperaturempfindlichen Produkten (zum Beispiel in der Food-Industrie) werden Mischtechniken zum Herauslösen des Wassers aus der Probe angewandt. Zum eigentlichen Messgut wird ein trockenes mineralisches Pulver gegeben und gut vermischt. Das mineralische Pulver bindet das Wasser der Probe im Wesentlichen an seiner Oberfläche. Somit kann es schon mit relativ geringer Energiezufuhr (geringe Temperatur, geringer Unterdruck) im Trockenschrank verdampft werden.

Die zwei Beispiele sollen zeigen, dass es in Abhängigkeit von der geforderten Messgenauigkeit, vom Produkt, von den Prozessparametern und von den Bedingungen in der Anlage zu speziellen und teils aufwendigen Methoden zur Referenzbestimmung der Materialfeuchte kommen kann. Demzufolge ist nicht nur der Auswahl des Onlinemess-Verfahrens Aufmerksamkeit zu widmen, sondern auch dem speziellen und nachvollziehbaren Ablauf der Referenzmessung.

Anforderungen an den Online-Messfühler

Um die im Labor oder unter praxisähnlichen Bedingungen erstellte materialspezifische Kennlinie für Online-Messungen produktionstechnisch nutzen zu können, müssen die Parameter im Messsystem hinterlegt werden. Wie in Abbildung 4 (Seite 42) zu sehen, sind materialspezifische Kennlinien durch einen nichtlinearen Verlauf gekennzeichnet. Eine Zwei-PunktKalibration des Messfühlers ist nicht ausreichend.

Von Online-Messgeräten zur Bestimmung der Materialfeuchte muss erwartet werden, dass sie das Hinterlegen von kompletten Kennlinien und Parametern (zum Beispiel Temperatur, Schüttdichte) ermöglichen. Es ist nicht ausreichend, wenn der Messfühler für sich allein genommen kalibrierbar ist, vielmehr muss er den Anforderungen des Gesamtsystems, in das er eingebunden wird, entsprechen:
Sensorik – Abgestimmt auf Messgut (zum Beispiel Pulver, Öle, Gasgemische); Kalibrierbarkeit muss gegeben sein.
Bedienung – Eingabe von materialspezifischen Kennlinien; bedienerseitige Anpassung an die Anlagenparameter.
Hardware – Einbindung in das Mess-, Steuerungssystem; Ausgabe von Grenzwerten, Warnungen, Datenzwischenspeicherung, Diagnosefunktionen.
Software – Messwertspeicherung, Dokumentation, kompatibel zu Steuerungssystemen.
Messwertdarstellung – Anzeige und Ausgabe von gemessenen und berechneten Werten.

Zusammenfassung

Die Besonderheit der Messgröße Materialfeuchte besteht darin, dass zur Absicherung der erzielten Messergebnisse ganzheitliche Betrachtungen zum Messfühler, Messgut, Referenzverfahren und zu den Anlagenparametern angestellt werden müssen. Für eine durchgängige Qualitätssicherung ist die Rückführbarkeit der Messwerte auf Referenzverfahren oder Transfernormale notwendig.

Der Einbau des Online-Messfühlers stellt dabei den letzten ausführenden Schritt dar. Besonderer Aufmerksamkeit bei der Projektierung der Messstelle muss der Rückführbarkeit und der Kalibrierung der Online-Messtechnik durch ein geeignetes Referenzverfahren gewidmet werden. Die Anzahl der zur Verfügung stehenden Referenzverfahren ist überschaubar. Es ist jedoch für jedes Messgut eine geeignete Methode zu entwickeln, um den für die Produktqualität entscheidenden Wasseranteil mit hoher Zuverlässigkeit und Genauigkeit zu bestimmen.

Quelle: SILO WORLD
Autor: Dr. Ing. Roland Wernecke
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