Zusammenfassung
Anhand der beiden Mustersubstanzen BSCF und dotiertem und beschichteten Zirconiumdioxid konnte gezeigt werden, dass es möglich ist, auch komplexe keramische Substanzen im Labor– bis hin zum Pilotmaßstab herzustellen. Die hierfür verwendete Technologie der Pulversynthese bietet über die Trocknung im pulsierenden Heißgasstrom hinaus durch Anpassung von Frequenz und Amplitude zusätzliche Möglichkeiten, um auf die Partikelgröße, -struktur und -morphologie Einfluss zu nehmen.
Diese neue Flexibilität bei der Entwicklung keramischer Rohstoffe ermöglicht es, mit geringem Aufwand anwendungsspezifisch optimierte Materialien zu entwickeln und zu testen. Nach erfolgreicher Erprobung kann die Technologie entsprechend hochskaliert und die Losgrößen an den tatsächlichen Bedarf angepasst werden.
Innovative Werkstoff- und Produktideen
High-Tech-Keramiken kommen heute für unterschiedliche medizinische und technische Anwendungen und zum Einsatz. Einerseits führt auch bei diesen Sonderwerkstoffen ein steigender Wettbewerbsdruck zu wachsenden Anforderungen. Andererseits sind die kommerziell verfügbaren Ausgangsrohstoffe durch eine beschränkte Zahl von Herstellern limitiert, die in gewissen Losgrößen produzieren, um wirtschaftlich arbeiten zu können. In der Konsequenz werden die Rohstoffe oft nur mit bestimmten Mindestabnahmemengen und zu hohen Preisen abgegeben und sind generell schwer zu bekommen. Das erschwert die Ausarbeitung innovativer Werkstoff- und Produktideen enorm. Ein alternativer Weg kann daher sein, die keramischen Rohstoffe zunächst im Labormaßstab selbst herzustellen oder so zu modifizieren, dass diese zu den eigenen Produktideen passen. Nach einer erfolgreichen Erprobung muss der Herstellungsprozess im Weiteren auf einen Produktionsmaßstab übertragen werden. Am Beispiel von zwei Mustersubstanzen wird im Folgenden dargestellt, welche Vorteile ein solcher technologische Ansatz hat.
Barium-Strontium-Cobalt-Eisen-Oxid (BSCF), hier beispielhaft anhand der Zusammensetzung Ba0,5Sr0,5Co0,8Fe0,2O3-δ gezeigt, ist eine komplexe Verbindung mit einer Perowskit-ähnlichen Struktur und wird heute unter anderem als Ionenleiter für Sauerstoffmembranen und als Elektrokatalysator für die Wasserstofferzeugung verwendet [1,2]. Ein Einsatz in Brennstoffzellen ist ebenfalls Gegenstand aktueller Forschung, wird aber durch die chemische Instabilität des Materials häufig erschwert. Es wurde bereits gezeigt, dass es durch Variation des Eisen/Cobalt-Verhältnisses möglich ist, einerseits die thermische Beständigkeit bei niedrigen Sauerstoff-Partialdrücken einzustellen [3] und dass andererseits die Beständigkeit gegenüber CO2 mit sinkenden Barium-Gehalten steigt [4]. Dies verdeutlicht das Potenzial modifizierter komplexer Werkstoffe, deren Eigenschaftsprofil gezielt auf eine spezielle Anwendung eingestellt wurde.
Das zweite Beispiel, auf das hier näher eingegangen werden soll, ist Zirconiumdioxid (ZrO2). Dieser Werkstoff wird heute großtechnisch für Wärmedämmschichten und medizinische Anwendungen, aber auch Commodity-Produkte wie Küchenmesser verwendet. Der Werkstoff kommt in zahlreichen Modifikationen vor. Bei Raumtemperatur und Normaldruck liegt reines ZrO2 in einer monoklinen Phase vor. Mit zunehmender Temperatur geht diese zunächst in eine tetragonale (1170°C) und ab ca. 2370°C in eine kubische Kristallstruktur über [5,6]. Aufgrund dieser Phasenumwandlung und der damit verbundenen Volumenänderung lassen sich keine Bauteile aus reinem Zirconiumdioxid herstellen. Die Hochtemperaturphase kann durch die Zugabe von Dotierungselementen M2+, M3+ bzw. M4+ oder durch Ladungskompensation stabilisiert werden [7,8]. Auch wenn hier bereits zahlreiche Variationen kommerziell verfügbar sind, bietet die Kombination verschiedener Stabilisatoren noch Potenzial [9]. Es gibt aber noch eine weitere Möglichkeit, die Stoffeigenschaften anzupassen: Studien zeigen, dass eine Dotierung der Pulver vor dem Sintern nicht zwangsläufig die optimale Lösung darstellt. Nach dem aktuellen Stand der Forschung diffundieren während des Sinterns überschüssige Dotierungselemente an die Korngrenzen. Aufgrund der geringen Konzentrationsunterschiede erfolgt dieser Prozess sehr langsam [10]. Vorteilhafter ist es, Dotierungselemente als Schicht auf ein undotiertes Pulver aufzubringen. Während des nachfolgenden Sinterprozesses bewirkt der hohe Konzentrationsgradient eine deutlich schnellere Diffusion – diesmal von außen in den Pulverwerkstoff hinein. Deswegen erlauben beschichtete Pulver gegenüber homogen dotierten Pulvern niedrigere Sintertemperaturen oder die Sinterzeit kann gesenkt werden. Durch die feinkörnigeren Gefüge lassen sich eine höhere Dichte und bessere mechanische Eigenschaften der Bauteile erzielen [11].
Experimentelles Vorgehen
Für die Herstellung und Beschichtung der Pulver kam ein Pulversynthesereaktor der Firma Glatt Ingenieurtechnik zum Einsatz (Abb. 1). Der Syntheseprozess basiert auf dem Verfahren der Sprühtrocknung, bei dem eine Lösung in einen Heißgasstrom eingesprüht wird und dort getrocknet wird. Durch das Versprühen von Suspensionen entstehen Coatings, bei denen die Präkursoren gelöst vorliegen. Hierbei können die Oberflächeneigenschaften des Kernmaterials durch Änderung des pH-Werts so beeinflusst werden, dass sich Wechselwirkungen zwischen Kern und Beschichtung ausbilden und die Beschichtung homogen ist. Dies stellt neben einem Kostenersparnis einen weiteren deutlichen Vorteil gegenüber alternativen Technologien wie z.B. der physikalischen oder chemischen Gasphasenabscheidung dar.
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Ergebnisse und Diskussion
Die Herstellung der Pulver erfolgte durch die Regelung anhand der Austrittstemperatur aus dem Reaktor. Die Leistungsregelung der einzelnen Heizstufen des Mantelheizers lief hierbei vollautomatisiert ab. Generell ist auch jede Heizstufe einzeln ansteuerbar. Perspektivisch lassen sich somit definierte Temperaturprofile innerhalb des Reaktionsrohres darstellen. Über ein Primärheizelement wurde das pulsierende Prozessgas vorgeheizt.
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Autoren
Dr.-Ing. Viktor Drescher und Dr. rer. nat. Johannes Buchheim, beide Glatt Ingenieurtechnik GmbH, Weimar
Original der Veröffentlichung
Fachmagazin Keramische Zeitschrift, Ausgabe 04-05/2022, Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH
Literatur
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- Ovenstone, J., Jung, J., White, J. S., Edwards, D. D., Misture, S. T.: Phase stability of BSCF in low oxygen partial pressures. Journal of Solid State Chemistry 181 (2008), [3] 576-586, ISSN 0022-4596.
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- Vollath, D., Fischer, F.D., Hagelstein, M., Szabó, D. V.: Phases and phase transformations in nanocrystalline ZrO2. Journal of Nanoparticle Research 8 (2006) 1003–1016.
Danksagung
Die Versuche zum BSCF fanden im Rahmen des Forschungsprojekts „Neuartige Herstellverfahren für hochpermeable Sauerstoffmembranen und Entwicklung einer innovativen Membran-Anschlussplatte für Sauerstoffgeneratoren- SaMBa“ (FKZ: 2018 FE 9025) statt.
Die Versuche zum Zirconiumdioxid fanden im Rahmen des Förderprojekts „PulsON – Entwicklung einer effizienten Produktionstechnologie hochreiner, stöchiometrisch und morphologisch definierter Nanopulver“ (FKZ: 2021 FE 9041) statt.
Die elektrochemische Charakterisierung des BSCF erfolgte durch das Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme IKTS in Hermsdorf.
Die Autoren danken dem Land Thüringen und der Europäischen Union herzlich für die Unterstützung bei der Durchführung dieser Versuche.